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Vietnam Projekt: Hamburger Labor konzipiert weltweit einzigartiges Konzept

29. Februar 2016

Im größten Identifizierungsprojekt aller Zeiten will die Regierung des Staates Vietnam die Opfer des Vietnamkrieges aus Massengräbern bergen, genetisch bestimmen und ihren Familien übergeben, damit sie der Kultur entsprechend geehrt und bestattet werden können. Das Konzept für die Umsetzung des sogenannten „Project 150“ stammt aus Hamburg: Prof. Dr. Wolfgang Höppner, Gründer des genetischen Labors Bioglobe, hatte Ende 2015 im Rahmen einer zweijährigen Projektplanung den Projektablauf skizziert und einen Vertrag unterzeichnet, der den umfangreichen Wissens- und Technologietransfer nach Vietnam beinhaltet. Im Verlauf des Projektes sollen Labore in Hanoi weitgehend mit deutscher Technologie ausgerüstet werden, sodass die Identifikationen im Land selbst vorgenommen werden können. 

Katharina Fegebank, zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung der Freien und Hansestadt Hamburg, gratulierte heute den Projektbeteiligten. „Die Vergabe eines Projekts in dieser Größenordnung unterstreicht die nationale und internationale Bedeutung Hamburgs als Life Science Standort“, so Fegebank. „Nur wenn Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft und Politik eng zusammenarbeiten, werden solche Meilensteine überhaupt möglich. Vietnamesische Familien können nun ihre Angehörigen bestatten und Kriegsopfer finden eine würdige letzte Ruhe. Ich freue mich, dass die Unternehmen mit dem UKE und seiner Rechtsmedizin einen hochkompetenten Partner für dieses wichtige Aufarbeitungsprojekt gefunden haben.“ 

Anlässlich des Trainingsbeginns der ersten vietnamesischen Wissenschaftler in Hamburg konnte Wolfgang Höppner heute erstmals Details des Projektes der Öffentlichkeit vorstellen. „Das hochsensible Vorhaben stellt für alle Beteiligten eine spannende und große Herausforderung dar“, erläuterte er. „Die wissenschaftlichen, technologischen, aber auch kulturellen und sozialen Implikationen des Vorhabens sind immens, immerhin haben wir es hier mit hunderttausenden Toten zu tun, von denen wir nicht wissen, wer sie sind, und mit wiederum hunderttausenden Lebenden, die wir für einen Gen-Abgleich benötigen, um ihre Verwandten identifizieren zu können.“ Welche soziale und politische Bedeutung das Projekt für sein Land hat, erläuterte Tran Dong, Botschaftsrat für Wissenschaft und Technologie der Sozialistischen Republik Vietnam. „Für Vietnam stellt das Identifizierungsprojekt einen entscheidenden Schritt zur Bewältigung unserer schmerzhaften Vergangenheit dar“, sagte er. „Erst mit der Identifizierung und Beerdigung der Toten können viele Familien wirklich Frieden finden.“  

Komplizierte Ausgangslage

Für die Identifizierung des genetischen Materials ist komplexes forensisches Wissen sowie umfangreiche Erfahrung notwendig. So ist der Zustand des DNA-Materials durch das subtropische Klima stark beschädigt, was spezielle Methoden und Verfahren nötig macht. Dennoch gibt es dazu keine Alternative, meint Prof. Dr. Klaus Püschel: „Für Angehörige ist es extrem wichtig, Informationen darüber zu erlangen, ob und wie vermisste Personen zu Tode gekommen sind, damit sie einen Zugang zum Ort der Trauer und damit einen Bezug zur geliebten Person finden können“, so Püschel. „Dies betrifft das Land Vietnam ebenso wie andere Orte, die im großen Ausmaß Schauplatz von Tod und Trauer geworden sind, wie der Balkan, die USA an 9/11 sowie heute das Land Syrien.“ Das Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) ist an diversen weiteren Identifizierungsprojekten beteiligt und verfügt über große molekularbiologische Expertise u.a. aus dem Bosnien-Krieg, Ruanda und weiteren Kriegsschauplätzen. 

Erfahrenes Konsortium 

Die International Commission on Missing Persons (ICMP), eine weltweit tätige spendenfinanzierte Organisation, die das Schicksal Vermisster nach Naturkatastrophen, Kriegen und Bürgerkriegen aufklärt, steht Bioglobe beratend zur Seite und wird das Projekt weiter begleiten. Das Konsortium, das an der Umsetzung beteiligt sein wird, besteht aus Bioglobe als Konzeptions- und Trainingspartner, dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg sowie mehreren Industriepartnern, darunter das global agierende Biotechnologie-Unternehmen QIAGEN sowie die Hamburger Eppendorf AG. Beide liefern innovative Technologie zur Gewinnung und Analyse von Erbinformationen aus den Knochen der Kriegsopfer.  „Der Erfolg von Project 150 steht und fällt mit der Frage, ob wir dem äußerst schwierigen Probenmaterial aussagekräftige Erkenntnisse abgewinnen können“, betont Christian Starke von QIAGEN. „Wir freuen uns darüber, dieses wichtige Projekt mit unserem Netzwerk, Know-How und unserer Infrastruktur unterstützen zu können. Unsere standardisierten und automatisierten Verfahren sind auf die speziellen Projektanforderungen wie die Prüfung der Probenqualität abgestimmt und tragen damit zu einem möglichst schnellen und effizienten Projektablauf bei.“ Gleiches gilt für die Geräte und Verbrauchsartikel des Hamburger Unternehmens Eppendorf, das weitere Laborausrüstung liefert und das Projekt u.a. durch die kostenlose Verleihung größerer Laborgeräte unterstützt, wie etwa Thermocyclern, die zur Vervielfältigung des DNA-Materials eingesetzt werden. „Vor allem die hohe Spezifität und Richtigkeit unserer Geräte und die daraus resultierende Genauigkeit der Ergebnisse ist für das Gelingen dieses Projekts von großer Bedeutung“, so Rainer Treptow von Eppendorf.

 

Start des Projektes mit Schulungen

Project 150 startet mit Schulungen von sechs jungen vietnamesischen Wissenschaftlern der „Academy of Science and Technology“, Hanoi. Drei Monate lang werden sie bei Bioglobe in Hamburg sowie bei QIAGEN in Hilden an den hochkomplexen Geräten zur DNA-Analytik geschult. Ein Teil der Schulung wird außerdem, von der ICMP betreut, in Sarajewo stattfinden. Da die ICMP nach dem Jugoslawienkrieg gegründet wurde, um das Schicksal der Vermissten aufzuklären, betreibt die Organisation dort ein Büro und kann wertvolles Erfahrungswissen beisteuern. „Ich freue mich sehr, die vietnamesischen Kollegen heute in unserem Labor begrüßen zu dürfen“, sagt Wolfgang Höppner. „Nachdem das Projekt so intensiv geplant und vorbereitet wurde, macht es mich sehr zuversichtlich, dass die Umsetzung jetzt beginnen kann.“

 

 

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Faktenblatt zum Vietnam Projekt